Taubblindheit trifft Technik: Eine Weste für die Zukunft

HANNOVER, 8. und 9. Oktober 2020 - „SUITCEYES“ macht Halt im Deutschen Taubblindenwerk. Das internationale Forschungsprojekt vom „Cognitive Institute“ entwickelt seit über drei Jahren eine Weste für eine größere Unabhängigkeit und mehr Teilhabe von taubblinden Menschen. Das intelligente Kleidungsstück ist mit Vibratoren und einer Kamera ausgerüstet und soll Betroffenen klare Signale von der Umgebung geben.

Hierbei überträgt die Kamera die aufgenommenen Bilder als Signale an die Vibrationsmotoren und gibt dem Träger der Weste Informationen über den Raum. So könnten häufig vorkommene Objekte ein eigenes Vibrationsmuster besitzen und die Person kann sofort erkennen, dass es sich zum Beispiel um einen Stuhl und damit um ein mögliches Hindernis handelt.

Für die Erstellung einer Dokumentation rund um das Forschungsprojekt war Franz Pirker zwei Tage in zentraler Rolle. Der taubblinde Mann mit den schneeweißen Haaren lebte viele Jahre im Wohnheim des Deutschen Taubblindenwerks und wird seit einem Jahr durch das Ambulant Betreute Wohnen der Einrichtung betreut. Ein Filmteam der Hochschule Offenburg begleitete den 63-Jährigen in seinem Alltag und filmte die ersten Berührungspunkte mit dem Prototypen. Dabei immer an seiner Seite Taubblindenassistentin Marianna Kirschner.

Franz Pirker führt ein selbständiges Leben mit einer eigenen Wohnung und geht täglich zur Arbeit. Regelmäßiger Besuch von Freunden und eine aktive Freizeitgestaltung sind für ihn selbstverständlich. Bei speziellen Aufgaben wie dem Einkauf von Lebensmitteln, dem Weg zum Fitnessstudio oder der Mitgliedschaft in zwei Schachvereinen ist er auf Hilfe angewiesen. „Mit ein paar nützlichen Tipps von Freunden, wo sich zum Beispiel Spinnenweben in meiner Wohnung befinden, ist auch das Saubermachen kein großes Problem“, erzählte er stolz.

Auch für die Taubblindenassistentin waren die beiden Tage keine normalen Arbeitstage. „Es war mir eine Ehre, Franz Pirker bei den Drehaufnahmen für dieses spannende Projekt zu unterstützen und der Gesellschaft einen Einblick in die vielseitige Welt einer taubblinden Person zu verschaffen“, bestätigte Marianne Kirschner begeistert.

Und wie erlebte das Filmteam Mübeyra Erkus, Tim Wenz und Pascal Hoffmann die beiden Drehtage? „Wir waren gefordert, anders als sonst zu arbeiten. Es war beispielweise schwierig, Franz Pirker mit der Kamera zu verfolgen, da wir ihn beim Laufen weder verbal noch visuell stoppen konnten, um eine Aufnahme zu wiederholen.“ Sie sind zufrieden und dankbar für die Erfahrungen, wie Studentin Erkus feststellt: „Insgesamt glauben wir, dass wir das Deutsche Taubblindenwerk mit seinen vielen Facetten sowie den Alltag und die Interessen von Franz Pirker gut abbilden konnten und damit der Außenwelt zumindest einen kleinen Einblick in das Leben eines taubblinden Menschen geben können."

Am Ende des Drehs wurde allen Beteiligten noch mal deutlich, wie abwechslungsreich das Leben einer taubblinden Person sein kann und wie wichtig die Forschung an technischen Hilfsmitteln ist. Das stellte auch Franz Pirker zum Abschluss fest: „Trotzdem die Weste noch nicht fertig ist, habe ich das Projekt sehr gern unterstützt und meinen Beitrag zur Forschung geleistet.“

Text und Fotos: Benjamin Seegert