CHARGE-Syndrom als Ursache von Taubblindheit und Hörsehbehinderung
Der Begriff CHARGE-Syndrom beschreibt eine seltene, genetisch bedingte Störung, die sich auf verschiedene (Sinnes-)Organe auswirken kann. CHARGE gilt heute als Hauptursache für eine angeborene Hörsehschädigung, die – unabhängig von den zusätzlichen Symptomen – eine Behinderung ganz eigener Art darstellt. Der Begriff setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der häufigsten Symptome zusammen:
C – Coloboma / Kolobom des Auges
H – Heart Anomaly / Herzfehler
A – Atresia Choanal / Atresie der Choanen
R – Retardation / Vermindertes Längenwachstum und Entwicklungsverzögerung
G – Genital Anomalies / Anomalien der Geschlechtsorgane
E – Ear Anomalies / Ohrfehlbildungen
CHARGE-Syndrom im Alltag: Wissen und Verständnis notwendig
Diese Symptome treten bei den betroffenen Personen sowohl in ihrer Häufung als auch in ihrer Ausprägung unterschiedlich auf. Neben der Beeinträchtigung der Fernsinne Hören und Sehen sind beim CHARGE-Syndrom mitunter auch die Empfindungen für Gleichgewicht, Raum-Lage, Druck, Temperatur, Schmerz, Geruch und Geschmack eingeschränkt. Für die körperliche Entwicklung bedeutet dies unter Umständen, dass Kinder mit CHARGE erst sehr spät laufen lernen oder im Alltag eigenwillige Bewegungsmuster zeigen oder Positionen einnehmen, die auf die Umwelt zunächst befremdlich wirken: Wollen diese Kinder zum Beispiel Fernsehen oder ein Buch anschauen, sitzen sie oft kopfunter auf dem Sessel oder müssen Dinge auf dem Rücken liegend betrachten. Wird die Notwendigkeit und Funktionalität dieser Bewegungsmuster nicht erkannt, kommt es häufig zu Korrekturversuchen mit unangemessenen Förder- und Erziehungsmaßnahmen. Diese Maßnahmen führen wiederum in inner- und außerfamiliären Alltagssituationen für die Kinder leicht zu großen Frustrationserlebnissen und dem Gefühl des Unverstandenseins, das sich nicht selten in einem autoaggressiven Verhalten ausdrückt. Ohne ein Verständnis und Wissen um die besondere Situation von mehrfach sinnesbeeinträchtigten Menschen werden solche Reaktionen dann oft als plötzliche und grundlose Wutanfälle verkannt.
Das Deutsche Taubblindenwerk berät über Förderkonzepte für Kinder mit CHARGE-Syndrom
Das Bildungszentrum Hören – Sehen – Kommunikation Hannover bietet für die Interpretation dieser vermeintlichen Wutanfälle eine sachkundige Beratung an, die sich seit 1999 nunmehr auf eine langjährige Erfahrung stützt und durch einen regen kollegialen Austausch sowie durch regelmäßige Fortbildungen und Kongressteilnahmen auf dem aktuellen Stand gehalten wird. In der Beratungssituation entwickeln wir gemeinsam mit den betroffenen Familien sowie den vor Ort involvierten Fachkräften (ambulanten Frühförderern, Physio- und Ergotherapeuten, Logopäden, Medizinern, Pflegekräften usw.) ein individuelles und interdisziplinäres Förderkonzept mit dem Schwerpunkt Kommunikationsentwicklung, um das Kind mit seinen Bedürfnissen zu verstehen und in seiner Gesamtheit nicht aus dem Auge zu verlieren. Da die Diagnose CHARGE mittlerweile sehr früh gestellt werden kann, bewährt sich unser Beratungsangebot besonders im Rahmen der Frühforderung.