Verständigungsprobleme der Patienten treffen auf Fachkräftemangel und Zeitnot im Gesundheitswesen: Das Risiko für Menschen mit Sinnesbehinderungen für eine Fehlversorgung im Krankenhaus ist hoch. Gleich zwölf Partner aus dem Sozial- und Gesundheitswesen schließen sich zusammen und wollen künftig gemeinsam der Versorgungslücke entgegenwirken.
HANNOVER, 04.09.2024 – Die Gefahr für eine Unter- oder Fehlversorgung von Menschen mit einer doppelten Sinnesbehinderung in Deutschland ist hoch und führt häufig zu Folgeerkrankungen. Zu dieser Einschätzung kommen gleich drei Facheinrichtungen, vier Universitätskliniken, Krankenkassen und Selbsthilfeorganisationen. Gemeinsam starten sie das Projekt „Ganzheitliche Versorgungsstützpunkte & interdisziplinäre Diagnostik für Menschen mit Sinnesbehinderungen“, kurz GaViD-Sinne.
In Zukunft sollen in Berlin, Hannover, Stuttgart/Tübingen und Würzburg Stützpunkte entstehen, an denen sich verschiedene Disziplinen für eine bessere medizinische Versorgung der Patienten vernetzen. Die ersten Patienten werden ab Juni 2025 erwartet. „Mit einer ausführlichen Diagnostik und Beratung wollen wir die adäquate Versorgung von Menschen mit Taubblindheit und Hörsehbehinderung sicherstellen“, erklärt Melissa Glomb, Geschäftsführerin des Deutschen Taubblindenwerks.
Vorbild Norwegen: Höhere Qualität in Diagnostik und Beratung
2021 besuchte Glomb eine Facheinrichtung in Norwegen und war beeindruckt von dem dortigen Diagnostikzentrum. Seitdem setzt sie sich für die Errichtung eines vergleichbaren Angebotes in Deutschland ein und ist nun Konsortialführerin des GaViD-Projektes. „Eine höhere Qualität der Diagnostik ist die Voraussetzung für die Teilhabe von Menschen mit bislang unentdeckten Sinnesbehinderungen“, ist Glomb überzeugt.
Fachleute vermuten hohe Dunkelziffer
Laut Schätzungen in aktuellen Studien leben etwa 10.000 Menschen in Deutschland mit einer doppelten Sinnesbehinderung. Experten gehen davon aus, dass die Dunkelziffer deutlich höher ist. Vor allem in der Gruppe der schwer geistig und mehrfachbehinderten Menschen werden Taubblindheit und Hörsehbehinderung oft nicht diagnostiziert. Der vollständige oder fast vollständige Verlust des Hör- und Sehsinns führt zu erheblichen Einschränkungen der Betroffenen vor allem in der Kommunikation.
GaViD wird vom Innovationsfonds gefördert und vom höchsten Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen, dem Gemeinsamen Bundesausschuss, unterstützt. Das Projekt hat eine Laufzeit von 36 Monaten.
GaViD-Sinne auf einen Blick
Das Projekt „Ganzheitliche Versorgungsstützpunkte & interdisziplinäre Diagnostik für Menschen mit Sinnesbehinderungen“ (GaViD-Sinne) ist eine einzigartige Kooperation zwischen Universitätskliniken, Facheinrichtungen, Krankenkassen, Selbsthilfeorganisationen und Forschenden. Um die Versorgungslücke zu schließen, werden an vier Standorten in Deutschland interdisziplinäre Diagnostik- und Versorgungszentren für Menschen mit Taubblindheit und Hörsehbehinderung aufgebaut und Konzepte zur interdisziplinären Zusammenarbeit entwickelt und umgesetzt. Ziel ist die langfristige Verankerung der Maßnahmen und Leistungen im deutschen Gesundheitswesen.
- Start: September 2024
- Standorte: Berlin, Hannover, Stuttgart/Tübingen, Würzburg
- Laufzeit: 36 Monate
- Finanzierung: Innovationsfonds
- Konsortialpartner: Deutsches Taubblindenwerk, Nikolauspflege – Stiftung für blinde und sehbehinderte Menschen, Blindeninstitutsstiftung, Universitätsklinikum Tübingen, Medizinische Hochschule Hannover, Universitätsklinikum Würzburg, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Sektion Versorgungsforschung und Rehabilitationsforschung (SEVERA) am Universitätsklinikum Freiburg, AOK Baden-Württemberg
- Kooperationspartner: Leben mit Usher-Syndrom e.V., BKK Diakonie, DAK-Gesundheit
Weiterführende Beiträge zum Projekt
Kontakt
Melissa Glomb
Geschäftsführerin
Telefon: 0511 51008-15
E-Mail: m.glomb@taubblindenwerk.de