Soziale Distanz: keine Option für taubblinde Menschen

Das Deutsche Taubblindenwerk setzt auf strenge Hygiene-Konzepte und verantwortungsvolle Mitarbeiter

HANNOVER/FISCHBECK, Februar/März - Der Schutz der hörsehbehinderten und taubblinden Menschen im Deutschen Taubblindenwerk steht über allem. Daher setzt das Taubblindenwerk an seinen Standorten in Hannover und Fischbeck die Hygiene- und Pandemiebestimmungen des Landes Niedersachsen mit großer Sorgfalt und Verantwortungsbewusstsein um.

„Auch an uns ist Corona nicht spurlos vorbeigegangen. Dank großer Umsicht, wirksamen Hygieneplänen und einer flächendeckenden Teststrategie konnte jedoch größerer Schaden abgewendet werden. Das verdanken wir nicht zuletzt dem pflichtbewussten und umsichtigen Verhalten unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, sagt Volker Biewald, Geschäftsführer des Deutschen Taubblindenwerks gGmbH.

„Um wirklichen Schutz zu bieten, hoffen wir nun auf eine schnelle Impfung für die hörsehbehinderten und taubblinden Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen und eine Priorisierung in der Impfreihenfolge“, sagt Volker Biewald.

Mit einem umfangreichen Testkonzept sorgt die Einrichtung für zusätzliche Sicherheit. So sind bereits seit Februar die hauseigenen Testzentren in Hannover und in Fischbeck am Start: Jeder Mitarbeiter des Taubblindenwerks wird von geschultem Personal mehrmals wöchentlich getestet. Externe Besucher wie Therapeuten, Angehörige oder Handwerker müssen beim Betreten der Einrichtungen ebenfalls einen PoC-Antigen-Schnelltest durchführen. Auch Bewohner*innen, die es wünschen oder eigenständig das Gelände verlassen möchten, werden getestet.

Neben dem allgemeinen Hygiene- und Pandemieplan setzt das Deutsche Taubblindenwerk zum Schutz seiner Bewohner*innen auch weitere Maßnahmen um: Die Mitarbeiter*innen tragen FFP2 Masken, von Dienstbesprechungen in Präsenzform wird abgesehen und die Betreuungssituation wird entzerrt. So beispielsweise auch bei den Mahlzeiten: Während normalerweise nahezu alle Bewohner*innen im Speisesaal essen, darf aktuell nur jeweils eine kleine Gruppe unter Einhaltung der Mindestabstände hier gemeinsam essen. Parallel dazu können die Mahlzeiten in den Gruppenräumen des Wohnbereichs eigenommen werden.

Pandemie verstärkt soziale Isolation

„Eine der größten Herausforderungen derzeit ist es, den Umgang mit taubblinden Menschen frei und sozial zu gestalten. Taubblinde Menschen sind an den unmittelbaren Kontakt, an Berührung, an Assistenz gebunden – selbst einfache Spaziergänge stellen oft große Hürden dar“, erklärt Volker Biewald die besondere Situation der Klientel.

Neben der Erfahrung der Welt, ist die gesamte Kommunikation von hörsehbehinderten Menschen taktil ausgerichtet. Abstand und Kontaktminimierung sind keine Option für sie und ihr Gegenüber. Hinzu kommt: Nicht für alle ist die Pandemie und deren Folgen verständlich abbildbar und somit nachvollziehbar. Menschen mit Hörsehbehinderung erfahren oft Einschränkungen durch Maskenpflicht und Distanz. Gebärden, Mimik und Mundbild können nicht oder nur eingeschränkt erkannt werden. Und nicht alle können über digitale Medien Kontakte zu Verwandten, Bekannten oder für das Distanzlernen herstellen. Im Gegenteil: Die Pandemie verstärkt die ohnehin schon vorhandene Isolation von der Welt und der Gesellschaft.

Besonders betroffen: Kinder und Jugendliche

Für die Schüler*innen der Förderschule, des Schulinternats und der Werkstufe gelten somit zusätzlich die Regelungen des Kultusministeriums. Momentan bedeutet das für einen Teil der Schüler*innen Unterricht in festen Kleingruppen, andere müssen ins Distanzlernen wechseln. Doch Distanzunterricht, wie er an Regelschulen stattfindet, ist für Menschen mit komplexen Beeinträchtigungen nur äußerst eingeschränkt möglich.

„Hörsehbehinderte und taubblinde Schülerinnen und Schüler haben oft nur über den direkten Kontakt Zugang zur Welt. Sie benötigen jemanden, der die Welt über Berührungen zu ihnen bringt“, erklärt Bettina Trissia, Direktorin Bildungszentrum im Deutschen Taubblindenwerk. Diese intensive Aufgabe leisten nun vor allem Eltern und Sorgeberechtigte im Distanzlernen. Auch für kleine Kinder sind die Angebote derzeit sehr eingeschränkt: Der Sonderkindergarten bietet eine Notbetreuung an und die Anzahl der Pädagogischen Überprüfungen für Förderbedarf wurden reduziert.

Alternativen schaffen und neue Wege gehen

Nichtsdestotrotz: Die Mitarbeiter*innen des Deutschen Taubblindenwerks bieten ihren Schützlingen ein Mindestmaß an „Normalität“. Statt Schwimmunterricht heißt es nun: Raus in die Natur. Walken und laufen im Wald, psychomotorische Angebote und Fitness in der großen Sporthalle sind attraktive Ersatzangebote, die dankend angenommen werden.

Auch am Standort Fischbeck hat man sich etwas Besonderes gegen den Corona-Blues einfallen lassen: In Kooperation mit einem lokalen Modegeschäft wurde ein „Home-Shopping“ mit Winter- und Frühjahrsmode für die Bewohner*innen initiiert. Das Interesse an diesem Angebot war groß und die Rückmeldung positiv. Rund 25 Bewohner*innen konnten sich im Anschluss über ihre neue Bekleidung freuen.

So ist die Stimmungslage – wie andernorts auch – unterschiedlich: Die Menschen im Taubblindenwerk wollen wieder mit anderen lernen, kommunizieren und feiern. Die anspruchsvolle Aufgabe der Mitarbeiter*innen des Taubblindenwerks ist es in dieser Zeit, individuelle Ängste und Sorgen zu nehmen und gemeinsam Wege zu finden, Kontakte verantwortungsvoll und positiv und aufrecht zu erhalten.