Zum 200. Geburtstag von Hieronymus Lorm

HANNOVER/FISCHBECK, 5. August 2021. Am 9. August 2021 jährt sich der 200. Geburtstag von Hieronymus Lorm. Der österreichische Dichter und Journalist, der in jugendlichem Alter ertaubte und später erblindete, entwickelte das nach ihm benannte Lorm-Alphabet. Anlässlich des Lorm-Jubiläums hat das Deutsche Taubblindenwerk Beiträge von Menschen mit Taubblindheit gesammelt, die ihren persönlichen Zugang zum „Lormen“ beschreiben. Das Lorm-Jubiläum wird auch am „Tag der offenen Tür“ am 5. September 2021 mit einem Schwerpunkt zum Thema Kommunikation gewürdigt.

Menschen mit Taubblindheit gebrauchen ihren Tastsinn, um zu kommunizieren. Dabei sind die Hände zugleich ihre Augen, Ohren und Stimme. Das Lorm-Alphabet ist eines der wichtigsten Kommunikationssysteme für Menschen mit Taubblindheit. Sein Prinzip ist so einfach wie genial: Der „Sprechende“ tastet beim Lormen auf die Handinnenfläche des „Lesenden“. Dabei sind einzelnen Fingern sowie bestimmten Handpartien bestimmte Buchstaben zugeordnet. Das Lormen setzte sich in Deutschland wegen seiner leichten Erlernbarkeit und Effizienz durch. Das Tast-Alphabet ist noch heute ein wichtiges Kommunikationssystem für Menschen mit Taubblindheit im deutschen Sprachraum.

Leben mit Lormen: Erfahrungsberichte aus dem Deutschen Taubblindenwerk

Auch im Deutschen Taubblindenwerk ist das Lormen eine gängige Kommunikationsform: Von den rund 65 Bewohnern und Rehabilitanden beherrschen und nutzen rund Zwei Drittel das Tast-Alphabet in unterschiedlicher Qualität und Quantität. Doch Lormen will gelernt sein: Das Kommunikationssystem ist fester Bestandteil des Angebotes der taubblindentechnischen Grundausbildung im Deutschen Taubblindenwerk. Hier erlernen erwachsene Personen, die im Laufe ihres Lebens taubblind oder hörsehbehindert werden, im Rahmen einer sozialen Rehabilitation diverse Techniken und Kommunikationsformen. Unter anderem auch das Lormen. Dabei machen sie unterschiedliche Erfahrungen, wie die nachfolgenden Berichte zeigen:

Frau Re., ehemalige Rehabilitandin im Deutschen Taubblindenwerk, beschreibt ihre erste Berührung mit dem Lorm-Alphabet so: „Kurz nach meiner Ertaubung im Jahr 2002 bekam ich das Buch ‚Die Welt in meinen Händen‘. In der Umschlaginnenseite ist das Lormalphabet abgedruckt. Zuerst brachte ich mir die Vokale bei. Und freute mich, dass ich mir bald selbst ‚JESUS‘ in die Hand lormen konnte. Mir selbst in die Hände zu lormen, fand ich recht einfach.“

Auf die Frage, was Lormen für sie bedeutet, ist die Antwort klar: „Jeder Gehörlose hat Angst, blind zu werden, jeder Blinde, auch noch zu ertauben. Wir Taubblinden leiden an Isolation. Lormen bedeutet für mich zwischenmenschlicher Austausch, Unterhaltung und Information, also Kommunikation.“

Eine andere Rehabilitandin, Frau R., die im Deutschen Taubblindenwerk ihre taubblindentechnische Grundausbildung absolviert, berichtet von ihren Erfahrungen: „Das Lormen war nicht einfach zu lernen, weil ich nicht mehr so jung bin. Aber es ist für mich eine neue Art von Kommunikation geworden. Ich lerne nun, diese Art von Kommunikation anzuwenden, um in Zukunft mit Gleichgesinnten zu kommunizieren, am Alltagsleben teilhaben zu können und Erfahrungen auszutauschen. Mittlerweile habe ich sehr viele Menschen kennengelernt, die mit mir Lormen können.“

Auf die Frage, was Lormen für sie bedeutet, ist die Antwort klar: „Jeder Gehörlose hat Angst, blind zu werden, jeder Blinde, auch noch zu ertauben. Wir Taubblinden leiden an Isolation. Lormen bedeutet für mich zwischenmenschlicher Austausch, Unterhaltung und Information, also Kommunikation.“

Für von Taubblindheit betroffene Menschen ist es eine große Erleichterung, wenn ihr soziales Umfeld das Lormen beherrscht und somit ihre Sprache spricht. Frau W. bewohnt ein Einzelappartement im Wohnheim des Deutschen Taubblindenwerks in Hannover. In ihrer Familie haben ihre Schwester und nahe Verwandte das Lormen erlernt. Auch mit ihren Betreuern, ehemaligen Arbeitskollegen und den Mitarbeitern der WfbM lormt sie ganz selbstverständlich.

Frau We. hat das Lormen bereits 1991 im Zuge ihrer Reha erlernt. Als langjährige Bewohnerin im Wohnheim des Deutschen Taubblindenwerks pflegt sie ihre Freundschaften mithilfe des Tast-Alphabets. „Im November wohne ich 30 Jahre hier. Ich lorme hauptsächlich mit meiner Freundin Irmi und mit allen anderen Menschen hier auch. Aber auch bei Taubblindentreffen oder beim TBL-Stammtisch lormen wir.“

Auch Frau E. findet: „Lormen ist eine hilfreiche Kommunikation für hörsehbehinderte und taubblinde Menschen. Durch Lormen zu kommunizieren, erleichtert den Alltag, wenn man in gewissen Situationen nicht vom Mund ablesen kann, zum Beispiel bei einer Fahrt mit dem Paralleltandem oder im Auto.“

Dass Lormen nicht nur ein hilfreiches Vehikel im Alltag für Menschen mit Taubblindheit ist, sondern auch auf lustvolle und lebensbejahende Art und Weise, Kommunikation ermöglicht, berichtet Frau E.: „Lormen selbst lernen ist nicht schwer. Mit anderen Personen als Rollenspiel die Buchstaben zu formen macht Spaß, bringt Spannung und ist lehrreich. Lormen ist auch eine geheimnisvolle Unterhaltung.“

Tag der offenen Tür: Im Dialog mit Menschen mit Taubblindheit

Wer sich für Kommunikation von und mit Menschen mit Taubblindheit/Hörsehbehinderung interessiert, sollte sich den diesjährigen Tag der offenen Tür am 5. September 2021 im Rahmen des Entdeckertags der Region Hannover nicht entgehen lassen.

Anlässlich des 200. Geburtstags von Hieronymus Lorm nimmt das Deutsche Taubblindenwerk die Besucher mit auf eine Reise durch die verschiedenen Kommunikationssysteme. Große und kleine Entdecker können direkt, analog oder digital mit Menschen mit Taubblindheit in Kontakt kommen und in einen Dialog treten.